Medienpolitik

Seit über 3 Jahren bestimmt die Finanz- und Schuldenkrise beinahe jeden Tag die politische Debatte. Im Windschatten der Krise der Finanzwelt spielt eine 2. Krise, die aus meiner Sicht in der öffentlichen Debatte zu wenig berücksichtigt wird, obwohl sie uns alle angeht, obwohl wir tagtäglich mit ihr in Berührung kommen und obwohl sie massive Einwirkungen auf unsere gesamte Lebens- und Arbeitswelt nimmt: Es ist die Krise der Medienwelt. Die Medienwelt macht spätestens seit dem Jahr 2000 einen ähnlich tiefgreifenden Wandel durch wie die Finanzwelt. Treibende Kräfte im Wandel der Medien sind Digitalisierung und Internet.

Ich (Jahrgang 1965) bin aufgewachsen mit Büchern, Zeitschriften, Radio und Fernsehen. Das Kino als ein primäres Medienerlebnis spielte für mich schon weniger eine Rolle als für die Generation meiner Eltern. Meine Großeltern waren in Kindheit und Jugend in Sachen Medienzugriff sogar noch weiter eingeschränkt: Ausser Büchern und Zeitschriften gab es kaum Medien zu Beginn des letzten Jahrhunderts.

Über Medienpolitik nachzudenken und zu diskutieren hat, dafür gibt es aber mehr als nur den Grund, dass die Anzahl der Medien ständig zunimmt und damit ihr Einfluss auf die gesellschaftliche Wirklichkeit ständig steigt. Seit Verbreitung des Internet gewinnt nämlich ein Medium beständig an Gewicht, was im Unterschied zu Massenmedien wie Film, Fernsehen und Radio eine andere Qualität aufweist: Es ist interaktiv. Kommunikation über Internet läuft nicht nach dem Prinzip der Einbahnstraße vom Sender zum Empfänger. Im Internet sind die Nutzer wie vorher nur beim Telefon gleichzeitig Sender und Empfänger. Und das hat tiefgreifende Folgen.

Über Medienpolitik nachzudenken und zu diskutieren ist im Kurzdurchlauf nicht getan. Das Thema ist so weitgehend, dass es nicht mit einem Artikel erfasst werden kann. Dieser Artikel soll deshalb auch nur ein kleiner Auftakt sein zu einer umfassenden Auseinandersetzung mit Medienpolitik. Ich möchte der Bedeutung der Medienpolitik einen breiteren Raum und ein größeres Publikum in der öffentlichen und nichtöffentlichen Auseinandersetzung verschaffen. Dazu habe ich bereits eine geschlossene Gruppe »Medienpolitik« (http://www.facebook.com/groups/medienpolitik) auf Facebook gegründet. Diskussionsrunden und Veranstaltungsbeiträge zum Thema sollen bald folgen.

Medienpolitik ist nicht nur eine Aufgabe der „großen Politik“, also der Staaten. Medienpolitik wird von allen Institutionen und Unternehmen betrieben – auch wenn sie dort unter unterschiedlichen Begriffen gefaßt wird (Werbung, Öffentlichkeitsarbeit, etc.). Mit der Verbreitung der Sozialen Medien im Internet betrifft der Begriff Medienpolitik sogar jedes dort aktive Individuum. Auch wenn es noch wenig bewußt ist: Auf Facebook wird jeder Nutzer zum Redakteur des eigenen Erscheinens und macht dadurch aktiv seine persönliche Medienpolitik. Dabei geht es nicht nur um die Auswahl der Themen und Inhalte, die ich lese und verbreite. Kenneth Gund hat gerade beschrieben, welches Kopfzerbrechen die Auswahl derer verursachen kann, mit denen ich mich auf Facebook auf einen Austausch einlasse: »Der Facebook-Pranger«. Und natürlich stellt sich jedem Nutzer auch die Frage, wieviel seines persönlichen Lebenslaufes er sichtbar machen möchte: »Facebook zwingt allen seine Chronik „Timeline“ auf«. Deshalb: Medienpolitik wird weiter an Bedeutung gewinnen!

Ein weitreichendes und wichtiges Feld der Medienpolitik ist das der Medienfinanzierung. Mit den unterschiedlichen Medien sind vollkommen unterschiedliche „Geschäftsmodelle“ verbunden. Bei Büchern zahlt der Käufer, Werbung spielt bei ihnen eine untergeordnete Rolle. Das ist bei Zeitschriften schon anders. Bei Radio und Fernsehen kommen Gebühren dazu. Und in den Sozialen Medien wird selten mit Geld bezahlt, sondern mit Ihren „guten Daten“ (dazu aktuell eine SPIEGEL-Artikel: »Google will alles über dich wissen«).

Medienpolitik ist ein Feld mit hoher Veränderungsdynamik. Das sieht man schon am immer wieder diskutierten Begriff der Pressefreiheit. Eigentlich ist dieser Begriff nämlich anachronistisch, weil die echte Presse – also die Druckerpresse zur Herstellung von Zeitschriften – bei der Nachrichtenübermittlung an Bedeutung immer stärker verliert zugunsten der elektronischen Massenmedien und des Internets. Statt über »Pressefreiheit« müßten wir heute also über »Medienfreiheit« diskutieren. Allein an diesem Beispiel sieht man schon, wie weit unsere Vorstellungen über Medienpolitik noch im 20. Jahrhundert verhaftet sind.

Damit dieser Beitrag nicht zu lang wird, möchte ich vorläufig zum Ende meiner kleinen Betrachtung zur Medienpolitik kommen. Die ungeheure Bandbreite der Themen unter diesem Begriff sollte jetzt zumindest angedeutet sein. Und damit ist auch verständlich geworden, warum das Thema nicht in einer kurzen Diskussion abgehandelt werden kann. Ich selbst beschäftige mich seit über 30 Jahren mit der Produktion von Medien unterschiedlichster Art und lerne ständig noch dazu. Medien sind nicht das Leben, aber ein sehr bedeutender Faktor in unserem Leben geworden – ein Faktor der höchstwahrscheinlich noch weiterhin an Bedeutung gewinnt.

Das sind jetzt zur Anregung und zur weiteren Auseinandersetzung ein paar wesentliche Gründe gewesen, aus denen ich für den Dialog zum Thema Medienpolitik werbe. Ich bin gespannt und freue mich auf das Feedback zu diesem einführenden Artikelbeitrag zur Medienpolitik.

Hinweis: Zur weiteren Erörterung von medienpolitischen Fragen suche ich Medienschaffende. Wer kann und möchte zur Situation der Medien und zur Medienpolitik in relevanten gesellschaftlichen Institutionen und Unternehmen aus der eigenen beruflichen Medienpraxis berichten? Wer kann und möchte berichten aus der eigenen, frei-beruflichen Praxis?
Medienschaffende bitte melden bei Andreas Stein, as@andreas-stein.net.

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Eine Antwort auf Medienpolitik

  1. Jens sagt:

    Es ist jedenfalls ein Feld, dass im Ausbau begriffen und noch nicht so recht fassbar geworden ist. Man kann eben nicht voraussagen in welche Richtung sich zB Googles persönliche Suche gehen wird. Es kann auch jederzeit in die Luft gehen.

Schreibe einen Kommentar