Wie ich Interviews vorbereite, durchführe und verarbeite

Seit 2004 führe ich Interviews durch, seit 2010 verstärkt auch mit Aufzeichnung auf Video. Angefangen habe ich damit im Bereich der Unternehmens- und Marketingberatung. Die 2004 bis 2008 durchgeführten Interviews sollten Führungskräften unterstützen bei der Selbstreflexion und bei der Weiterentwicklung ihrer Führungsstrategie. Seit 2010 habe ich dann mit auf Video aufgezeichneten Interviews zusätzlich gesellschaftsrelevante Themen aufgegriffen, vornehmlich in den Bereichen Bildung und Wirtschaft.

Die Vorbereitung, Durchführung und Verarbeitung von Interviews ist ein sehr breites Arbeitsfeld, zu dem große Mengen von Fachliteratur verfügbar sind. Ich möchte hier nur einen kleinen Eindruck vermitteln in die von mir bevorzugte Arbeitsweise und meine Intentionen.

Der erste Schritt zu einem neuen Interview ist ein aktueller Anlaß. Der kann z. B. durch ein Thema oder eine Frage im Zusammenhang mit dem Austausch über die Veränderungen der Gesellschaft (im Bereich Bildung und Wirtschaft) entstanden sein, das im Umfeld des FBWE e.V. diskutiert wurde oder wird. Oder aber – und das ist in der Regel einfacher – es hat sich jemand in der öffentliche Debatte zu einem Thema zu Wort gemeldet, das mich/uns ebenfalls interessieren. In diesem Falle ist es einfacher die betroffene Person anzusprechen und um ein Interview zu bitten, weil diese durch ihre vorherige Wortmeldung ja bereits zu erkennen gegeben hat, dass sie ein Interesse daran hat, sich dazu mitzuteilen. In diesem Fall versuche in dann meine Interview-Anfrage der entsprechenden Person per Email und/oder telefonisch mitzuteilen, möglichst mit Bezug auf ihren vorhergehenden Diskussionsbeitrag. In der Regel erhalte ich darauf eine Antwort mit zwei wesentlichen Rückfragen:

  1. Worum soll es in dem gewünschten Interview (genauer) gehen?
  2. In welchem Kontext und Umfeld soll das Interview erscheinen?

Wenn ich auf diese Rückfragen wiederum geantwortet habe kommt es bei fortgesetztem Interesse beider Seiten zur Vereinbarung von Termin und Ort für das Gespräch. Der Termin selbst wiederum spielt sich in drei Hauptphasen ab:

  1. Begrüßung und Vorbereitung, wiederholte Besprechung des geplanten Themas und Einsatz der Technik (Kamera, Mikrofone, etc.). Als vorteilhaft empfehle ich, diese „Warmlaufphase“ vor dem eigentlichen Interview entspannt abzuhalten, gerade mit Interview-Partnern, die man vorher noch nicht persönlich („Face to Face“) kennen gelernt hat. So läßt sich eine gewisse Aufregung oder Anspannung, die anfangs ein wenig verkrampft wirken kann, schon in der Aufwärmphase abbauen und ist im eigentlichen Interview nicht mehr oder kaum noch vorhanden.
    Wenn sich die Fragen und Gedanken im Vorfeld des Interviews geklärt und etwas gelegt haben, mache ich den Vorschlag zu beginnen.
  2. Die Kamera wird angestellt. Ab jetzt wird alles aufgezeichnet, was gesprochen wird. Ist kein Kameramann dabei, muß ich nach Start der Kamera erst noch meinen Platz einnehmen. Dieser Vorlauf wird später weggeschnitten.
    Drei, zwei, eins: Nun geht es los. Wir schauen 1-2 Sekunden in die Kamera, ich begrüße die Zuschauer und stelle meinen Interviewpartner sowie Ort und Anlaß des Gesprächs vor. Dann stelle ich meine ersten Fragen.
    Meine bisherigen Interviews dienten in der Regel dem Zweck, dem Zuschauer ein Fachthema nahe zu bringen. Ich bin ja kein „Revolver-Journalist“, mir geht es nicht darum, meinen Gesprächspartner „abzuwürgen“ oder in eine Ecke zu drängen. Von solchen Interviews gibt es ja bereits im Fernsehen genügend. Mir geht es im Gegenteil in der Regel darum, ein Thema „aufzumachen“, etwas neues in Erfahrung zu bringen. Deshalb versuche ich Fragen zu stellen die meinem Interviewpartner entgegen kommen, bei denen er zeigen kann, dass er kompetent ist und etwas zu sagen hat. Wenn er „glänzen“ kann, dann öffnet er sich auch und „plaudert aus dem Nähkästchen“. Fängt er Feuer, dann versuche ich mit meinen Fragen Brennstoff nachzuliefern. So kommen dann langsam die interessanten Fragen und Ideen auf den Tisch. Und so führen gegensätzliche Positionen auch nicht gleich zu einer Verkrampfung, sondern werten das Thema und das Gespräch auf.
    Gegen Ende des Dialogs, wenn die aufgebaute Spannung wieder abnimmt, gebe ich erste Hinweise auf den kommenden Schluß. Dann können schnell noch die Dinge angesprochen werden, die aus Sicht meines Gesprächspartners noch gesagt werden sollten.
    Danach beginne ich mit einer kleinen Zusammenfassung, Querverweisen oder einem Ausblick auf kommende Fragestellungen. Nehme ich dabei wahr, dass mein Gesprächspartner zufrieden ist, bedanke ich mich für das Interview, verabschiede mich von den Zuschauern und schließe das Gespräch ab.
  3. In der Regel läuft jetzt noch die Kamera und es kann zu einigen interessanten Nachbemerkungen kommen, die später weggeschnitten werden. Horst Seehofer hat mit solch einem Interview-Nachgespräch zur NRW-Wahl im Mai 2012 ordentlich Aufregung verursacht. Veröffentlicht werden darf solch ein Nachgespräch aber nur, wenn der Interviewte damit auch einverstanden ist. Deshalb wird dieser Nachspann vor der Veröffentlichung entfernt.
    Nachdem die Kamera endgültig ausgestellt ist, findet meistens noch ein kleiner Austausch zum Thema und Verlauf sowie zur weiteren Vorgehensweise bei der Veröffentlichung statt. Danach verabschiede ich mich.

Ich versuche stets, die von mir produzierten Interviews möglichst zügig zu veröffentlichen. Direkt im Anschluß an ein Interview ist auch beim Interviewpartner das Interesse lebendig, schnell zu sehen, was daraus geworden ist. Außerdem ist im direkten Anschluss an das Gespräch meist auch die größte Bereitschaft vorhanden, dass Ergebnis via Internet an Dritte weiter zu leiten.

Bevor das Video auf Youtube hochgeladen wird, schneide ich den Vorlauf am Anfang und den Nachlauf am Ende weg. Wenn möglich verzichte ich bisher auf das Herausschneiden von einzelnen Gesprächsteilen, weil damit die Gesprächsatmosphäre verändert oder sogar verfälscht wird.
Beim Schneiden des Videos werden die Gesprächspartner noch mit den sogenannten „Bauchbinden“ versehen. So nennt man die kurzzeitigen Einblendungen des Names und eventuell auch der Position/Funktion einer Person im Video. Manchmal füge ich dem Video beim Schneiden auch noch weitere Einblendungen mit Hinweisen zu. Abschließend erzeugt das Programm für die Videonachbearbeitung die Datei, die veröffentlicht (z. B. auf Youtube hochgeladen) werden kann.

Nach einem Upload auf Youtube gebe ich dort noch einen sachlich beschreibenden Titel und Hinweise in das Textfeld unterhalb des Videos (oft weiterführende Links) ein. Ich wähle eine Kategorie aus und vergebe ein paar Tags für Suchmaschinen – wobei nach meiner Erfahrung der Youtube-Titel des Interviews die höchste Relevanz beim späteren Auffinden des Interviews via Google & Co. hat. Jetzt ist das Interview öffentlich und die Abonnenten meines/unseres Videokanals werden darüber per Email automatisch benachrichtigt. Da ich Facebook intensiv nutze, poste ich das Interview mit einleitender Beschreibung auf meiner dortigen Pinnwand. Außerdem binde ich das Video in ausgesuchte Blogs ein. Einge Interviewpartner tun dies in ihrem eigenen Blog ebenso. Und wenn das Thema von größerem öffentlichen Interesse ist, haben auch schon Dritte ein solches Video in ihre Blogs eingebunden.
Manchmal versende ich zusätzlich auch noch einen Link auf das neue Video per Email an ausgesuchte Verteiler. Danach warte ich gespannt auf die ersten Feedbacks.

Ausblick

Ich plane zur Zeit weitere Artikel zum Thema Videointerview. Ich denke i. A. an folgende Fragestellungen, die ich darin bearbeiten möchte:

  1. Wie das Feedback auf ein Videointerview ausgewertet werden kann.
  2. Warum ein Interview eine so grundlegend bedeutsame Form der Informationsbeschaffung ist und auch im Zeitalter des Internet nicht an Bedeutung verlieren wird.
  3. Die zunehmende Bedeutung von öffentlich zugänglichen Videointerviews im Internet und der gleichzeitige Wandel der Medienwirtschaft.
  4. In welchen Zusammenhängen und Zwecken es aus meiner Sicht sinnvoll ist mit Interviews zu arbeiten. Dabei denke ich sowohl an öffentliche Zwecke als auch an nichtöffentliche Zwecke (z. B. im Bereich der Wirtschaft, der Aus- und Weiterbildung, des Gesundheitswesens sowie der Arbeitswelt allgemein).

Bei Interesse an diesen Fragestellungen freue ich mich natürlich über Anmerkungen, Kommentare und Rückfragen dazu.

Interview-Beispiele aus den letzen beiden Jahren von und mit mir finden Sie auf:
http://www.youtube.com/user/2010fbwe/videos und http://www.youtube.com/user/2010asks/videos

 

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Eine Antwort auf Wie ich Interviews vorbereite, durchführe und verarbeite

  1. jochen plum sagt:

    Dann bis Morgen.HIHI

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